How to (not) produce - Fragmente zu sorgender Kunst als Gegenkultur (2023)
künstlerische Forschung
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„after the revolution who is going to pick up the garbage on Monday morning?
[...]
what is the relationship between maintenance and freedom?
what is the relationship between maintenance and life‘s dreams?“ [1]
- fragt Mierle Ladermann Ukeles in ihrem „Manifesto for Maintenance Art“. Als alleinerziehende Mutter und Künstlerin im New York der 70er Jahre, bleibt ihr aufgrund ausufernder Sorgeverpflichtungen der Zutritt zu Kunsträumen verwehrt
Die Beziehung zwischen instandhaltenden und schöpferischen Prozessen ist eine konkurrierende, nach wie vor. Sorgearbeit muss aus der künstlerischen Sphäre ausgelagert, verschleiert oder wegorganisiert werden, darf in Förderanträgen nicht auftauchen und steht in zeitlicher Konkurrenz zur kreativen Arbeit. Die meisten Förderprogramme sind auf Neuproduktionen und Premieren ausgelegt, Wiederaufnahmen, Gastspiele oder langfristige Strukturarbeit sind kaum finanzierbar, weshalb nachhaltiges, zyklisches Arbeiten strukturell oft verunmöglicht wird. Empfindet sich die Freie Szene oft als Sammelbecken für mit-den-Prinzipien-der-Lohnarbeit-nicht-Einverstandene, bleibt doch das Unbehagen an der Kulturarbeit, die den gleichen Produktionsverhältnissen unterworfen ist.[2]
Neoliberale Dispositive führen dazu, dass Produktion grundsätzlich höhere Wertschätzung erfährt als Erhaltung, doch wo nähern sich die beiden Bereiche einander an? Welche Strategien gibt es, sich dieser Produktionslogik zu widersetzen und Kunst und Sorgearbeit radikal zusammen zu denken? Und welches Widerstandspotential entfaltet sich in dieser Form der Gegenkultur?
Ukulese Ladermann konterte die Zurückweisung mit einem feministischen Manifest, in dem sie Windeln Wechseln, Wäsche Waschen, Wohnung Putzen und Essen Kochen, all diese sorgenden Tätigkeiten, zur Kunst erklärte. Meine künstlerische Recherchearbeit folgt diesen Spuren der Maintenance Art in die Gegenwart, versammelt weitere zeitgenössische best practice-Beispiele, reflektiert anekdotisch über Aus-Fehlern-lernt-man-Produktionen und versucht sich an einer nicht-hierarchischen Versammlung dieser Fragmente.
Fragmente, die die Dichotomie zwischen Lebensträumen, kreativer Selbstverwirklichung und Freiheit auf der einen Seite und reproduktiver Arbeit, die die Dinge am Laufen hält, auf der anderen in Frage stellen. Fragmente, die nach der Kunst im Müßigen, im Notwendigen und Unproduktiven suchen, die Strategien entwickeln, entwerfend und gleichzeitig regenerativ zu Arbeiten. Fragmente, die sich um den Prozess sorgen und nicht um das Produkt.
[1] Ladermann Ukeles, Mierle: „Manifesto! Maintenance Art – Proposal for an Exhibition”, New York 1969. S. 1 u. 3
[2] Vgl.: Hirsch, Michael: „Kulturarbeit – Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure“, Hamburg 2022. („Es gibt in der Moderne immer auch schon ein Unbehagen an der Kulturarbeit: an ihren Produktionsverhältnissen. Also an den Bedingungen, unter denen bildende und performative Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Musiker, Publizisten und Schriftstellerinnen diejenigen Tätigkeiten ausüben, die modellhaft für ein anderes, freieres Verhalten zu den Dingen, zu den anderen und sich selbst stehen.“ S. 9, Z. 24 ff.)